Rechtsanspruch volljähriger „Pflegekinder“ nach § 41 SGB VIII

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Rechtsgutachten

von Manfred Busch, Celle und Prof. Dr. Gerhard Fieseler, Fuldatal

Vorbemerkung: Das Gutachten der renommierten Juristen Hans Busch und Gerhard Fieseler, Spezialisten für das Kinder- und Jugendhilferecht, ermutigt Pflegeeltern und ihre herangewachsenen Pflegekinder, sich gegen den zunehmenden Trend der Jugendämter, das Pflegeverhältnis nicht über das 18. Lebensjahr hinaus zu verlängern, auf juristischem Weg zu wehren. Anspruchsberechtigte für die Leistungen nach § 41 KJHG sind nicht mehr die Eltern, sondern die jungen Volljährigen selbst, die diesen Anspruch ggf. einklagen müssen. Besonders hervorzuheben ist, daß Voraussetzung für die Gewährung der Hilfe nicht ist, daß sich der Anspruchsteller in Schul- oder Berufsausbildung befindet, sondern daß sie für die Persönlichkeitsentwicklung und zur Entwicklung eigenverantwortlicher Lebensführung notwendig ist. Dies kann sogar dann gegeben sein, wenn die Ausbildung bereits beendet ist. Die Gutachter weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß es üblich ist, daß junge Menschen über das 18. Lebensjahr hinaus im Elternhaus leben und von ihren Eltern gefördert und unterstützt werden. Im Hinblick auf die Vorgeschichte von Pflegekindern kann nicht angenommen werden, daß gerade diese nicht mehr auf die Unterstützung ihres Elternhauses angewiesen seien.

Versuche der Jugendämter, die Pflegestellen zu beenden, indem eine zeitlich begrenzte Übergangshilfe angeboten wird, sind ebenfalls unzulässig, weil der junge Erwachsene an der Wahl der Hilfe zu beteiligen und seinen Wünschen zu entsprechen ist, sofern sie nicht unverhältnismäßige Mehrkosten bedeuten.
(G. E., Juni 2003)

Als Ergebnis lässt sich nach alledem festhalten,

  • junge volljährige „Pflegekinder“ haben grundsätzlich auch dann einen Rechtsanspruch, Volljährigenhilfe als Fortsetzungshilfe gewährt zu bekommen, wenn eine schulische oder berufliche Bildungsmaßnahme weder begonnen wurde noch angestrebt wird;
  • Verselbständigung kann, muss aber nicht ein eigener Haushalt bedeuten;
  • keine Voraussetzung für die Gewährung der Volljährigenhilfe ist, dass bei Abschluss der Volljährigenhilfe der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung abgeschlossen und die Fähigkeit zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung ohne jede Fremdhilfe erreicht sein muss;
  • ist Volljährigenhilfe als Fortsetzungshilfe zu gewähren, bleibt der örtliche Träger zuständig, der bis zum Eintritt der Volljährigkeit zuständig war (§ 86a Abs. 3 SGB VIII);
  • Unterhalt einschließlich einem angemessenen Barbetrag zur freien Verfügung des/der jungen Volljährigen nach § 39 Abs. 1 SGB VIII sowie einmalige Beihilfen oder Zuschüsse nach § 39 Abs. 3 SGB VIII sind Teil der Volljährigenhilfe nach § 41 i.V.m. § 33 SGB VIII, auf den der/die junge Volljährige einen Rechtsanspruch hat;
  • die Volljährigenhilfe endet nicht automatisch, sondern kann vom Jugendamt nur aufgehoben werden, wenn die in § 41 Abs. 1 SGB VIII genannten Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind und zuvor eine Beratung nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stattgefunden hat;
  • vor jeder Änderung einschließlich der Beendigung der Hilfe hat das zuständige Jugendamt das volljährige „Pflegekind“ nach der Maßgabe des § 36 Abs. 1 SGB VIII zu beraten;
  • gegen eine Einstellung oder Aufhebung der Hilfe kann das volljährige „Pflegekind“ Widerspruch einlegen.

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